A - Die Hutmanufaktur des Carl Gottlob

Szene A 2

Carl Cottlob stapft schlechtgelaunt mit seiner Kiepe voller Bürstelhüte durch das Publikum und versucht, verschiedenen Leuten seine Hüte anzupreisen. Da keiner etwas kaufen will, wird er immer ärgerlicher. Von der anderen Seite her nähert sich die Gemüsefrau ÄNNE, ebenfalls ihre Ware anpreisend. Mitten im Publikum treffen sie sich.

Carl Gottlob (Friedrich-Martin Schneider 20030707)

ÄNNE: Na, Carl-Gottlob, war wohl wieder nicht so doll auf dem Markt?

CARL GOTTLOB: Markt kann man das ja wohl nicht mehr nennen. Diese hochnäsigen Bauern, haben doch nicht mehr alle Federn am Hut! (nachäffend) “Meister Wilke, noch immer keinen Seidenhut im Angebot...” Bin ich Buchbinder oder was? Die soll'n sich selbst im Wald einen Span schälen und den mit Stoff bekleben. So was unverschämtes. Mir, einem ehrbarem Handwerksmeister, zuzumuten, mich nach der Mode zu richten.

Änne (Sabine Großmann 20030721)

ÄNNE: Ja ja, die Mode. Sie ist halt die Hure des guten Geschmacks. Verdreht den Tölpeln den Kopf, benebelt ihnen den Verstand und lässt sie dann zahlen. Ist doch alle Weile das Selbe. Die Frau Gemahlin kleidet sich eben mit der Zeit. Was willst du dagegen machen?

Die beiden gehen langsam auf die Bühne Richtung Bank

CARL GOTTLOB: “Die Frau Gemahlin kleidet sich mit der Zeit”. Die Frau Gemahlin, dass ich nicht lache. Da kann man gleich einer Kuh einen Hut aufsetzen. In deren Alter sollte man sich nicht mehr kleiden sondern eher bedecken. Ich kann ja gleich noch eine Perücke an das Hutleder kleben oder eine Gardine. Mein Hut schützt die Glatzen vor Sonnenbrand und Hagel, was will man mehr? (Friedrich und Maria (als Kinder) entdecken ihren Vater und kommen angelaufen, schauen in die Kiepe) Aber sie haben keine Ahnung vom guten Hut. Seidenhüte wollen sie, beklebte Konfektschachteln...

Carl Gottlob, Kinder (Friedrich-Martin Schneider, Philipp und Kilian Lorenz 20030721)

MARIA: Du hast gerade von Konfekt geredet, Papa?

FRIEDRICH: Wir haben es ganz genau gehört.

MARIA: Hast du uns etwa Konfekt gekauft?

FRIEDRICH: Oder wenigstens ein großes Brot? Irgend etwas zu essen?

Carl Gottlob schüttelt den Kopf und zuckt mit den Schultern.

Änne (Sabine Großmann 20030721)

ÄNNE: Da siehst Du es, Carl Gottlob, so kann es nicht weitergehen. Die Kinder brauchen zum Wachsen satt zu Essen. Und wenn sie dann gewachsen sind, braucht wenigstens der Große neue Sachen. Die anderen tragen ja sowieso immer nach. Du solltest die wirklich überlegen, ob du nicht anfängst, auch Seidenhüte und Filzpantoffel herzustellen. Am besten beides...

CARL GOTTLOB: Seidenhüte und Filzpantoffel. Das wäre so, als ob ich zum Metzger gehe und Fisch verlange, obwohl sein Fleisch manchmal wirklich so riecht. Nein, nein. Ist das denn zuviel verlangt von den Leuten, zu kaufen was es gibt und nicht ständig nach Dingen zu verlangen, die es nicht gibt?

ÄNNE: Würdest du zwei Mark für einen Filzhut bezahlen, wenn du am Nachbarstand zwei Seidenhüte dafür bekommst? Die Zeiten sind hart. Alle müssen sparen.

CARL GOTTLOB: Sparen, sparen, sparen – das hat sich wohl der Knochenmax in der Ordination des Herrn Chirurgius auch gedacht. Und was hat es ihm gebracht? Die Kinder fürchten sich vor ihm. Sparen sollen die Leute zu Hause, aber nicht an meinem Hutstand.

Änne, Carl Gottlob, Maria (Sabine Großmann, Friedrich-Martin Schneider, Kilian Lorenz 20030707)

Es beginnt zu regnen. Carl Gottlob und die beiden Kinder verschwinden über [Pos 8], Änne über [Pos 2]

ÄNNE: (im Weglaufen) Jetzt hast Du mit Deinem Gejammer sogar Petrus erweicht. Beeilt Euch, dass ihr nach Hause kommt, sonst weichen euch noch die Hüte auf.

Caroline (Isabell Gruchot 20030721)

Gewittergeräusche. Der “Zimmervorhang” geht auf. Caroline schafft in einer Wohnküche, zwei weitere Kind spielt auf dem Fußboden. Carl Gottlob setzt die Kiepe heftig ab und beginnt seinen Hut auszuwringen.

CAROLINE: Ihr seht ja lustig aus. Solche Schlapphüte trug man vor hundert Jahren – sagst du immer.

CARL GOTTLOB: Ja, spotte du nur auch. Als hätten es die da draußen nicht schon zur Genüge getan.

MARIA: (unbefangen) Der eine Mann hat gesagt, der Arzt hat die dicksten Warzen...

FRIEDRICH: Und dann hat noch jemand gesagt, der Schuster hat die ausgelatschtesten Schuhe.

N° 03 Was wisst ihr vom guten Hut Text: Christa Eckert
  1. Was wisst ihr schon vom guten Hut?
         Ein guter Hut tut jedem gut.
    Er schützt vor Regen und vor Wind,
         wärmt Glatzen und er kühlt geschwind,
    wenn Sonne sendet ihre Glut.
         Was wisst ihr schon vom guten Hut?

    Erst die richtgen Haare finden,
         die sich fest zu Filz verbinden,
    waschen, reißen, krempeln, fachen
         – alles schmutz- und staubge Sachen.
    Danach filzen, formen, färben.
         Und damit sie nicht verderben
    lange erst die Brühe rühren,
         immer wieder ausprobieren,
    bis die Farben ohne Flecken
         durch und durch den Stumpen decken.
    (hat dabei zwei Kindern einen gefärbten und ungefärbten Hut aufgesetzt)
  2. Carl Gottlob (Friedrich-Martin Schneider 20030721)

    Das ist dann lange noch kein Hut,
         der seinen Dienst am Kunden tut.
    Es sähe schon ein kleines Kind,
         dass Stumpen keine Hüte sind.
    Wenn ich dran denke, krieg ich Wut:
         ihr wisst gar nichts vom guten Hut!

    Reiben, schleifen, dehnen, glätten,
         zum plattieren dampfend plätten.
    Decatieren, dass der Hut
         nicht im Regen schrumpfen tut.
    Dann mit Schellacksteife steifen
         und zuletzt zur Schere greifen,
    dass die Krempe kriegt Fasson
         und der Hut nicht wie'n Ballon
    auf dem Kopfe sitzt.
         Dann garnieren und mit allerlei verzieren...
    (jetzt haben alle einen Hut verschiedener Entwicklungsstufe auf)
  3. Was wisst ihr schon vom guten Hut?(hält seinen Hut jetzt in der Hand)
         Der freilich hier ist gar nicht gut.
    Verliert im Regen seine Form,
         wird dann zu eng und drückt enorm,
    wenn ihn getrocknet Sonnenlicht.
         Ein g u t e r Hut ist der hier nicht!
    (Wirft seinen Hut zornig in die Ecke)

Kinder marschieren wie die Orgelpfeifen über [Pos 5] ab, die Eltern bleiben noch zurück

Caroline, Kinder, Carl Gottlob (Isabell Gruchot, Kilian und Phillip Lorenz, Friedrich-Martin Schneider 20030707)

CAROLINE: (umarmt ihn mitleidig und verständnisvoll) Komm, lass für heut genug sein. Wir gehen schlafen.

CARL GOTTLOB: Mich ärgert das schon seit Monaten. Es muss doch möglich sein, den Hut formbeständiger und billiger herzustellen. Du hast Recht. Ein wenig Schlaf lässt mich vergessen. Und morgen ist Sonntag, da will ich mir die Sorgen fern halten.

Carl Gottlob und Caroline gehen ab, Licht auf Friedrich und Elisabeth

FRIEDRICH: Mein Vater hatte tatsächlich schon alle möglichen Experimente durchgeführt, um Hüte formstabil zu machen, dass sie beim Regen nicht aufweichen und wie Kuhfladen aussahen. Bis dahin ist es ihm nie so recht gelungen. Und bei uns Kindern wurde der Hunger immer größer. Ich weiß noch, dass ich bei Tisch immer gebetet habe: deutlich Lieber Gott, lass uns einmal satt zu essen haben!

ELISABETH: Und ihr seid nur deshalb am Leben geblieben, weil Urgroßvater doch noch Filzpantoffel und Seidenhüte hergestellt hat.

FRIEDRICH: Ja, dabei mussten wir alle helfen. Natürlich machte er keine Hüte aus Holzspänen oder Pappe, sondern aus Filz und Seide. Aber ich habe dir die Geschichte noch gar nicht zu Ende erzählt, wie er überhaupt auf die Idee kam, etwas anderes auszuprobieren...

Ende Szene A 2

SitemapKontaktWebmaster – 2008-01-31
friedrich.song-vision.de/musical/szene-a2.php