D - Die Vollendung

Szene D 1

Friedrich Wilke tritt verschlafen in sein Arbeitszimmer, macht die Petroleumlampe an und schaut auf die Taschenuhr.

Friedrich (Max Noak 20030721)

FRIEDRICH: Erst fünf... Aber wenn drüben in der Fabrik die Schicht anfängt, bin ich wach. Alte Gewohnheit. (Macht ein paar Kniebeugen)

Bisschen müde bin ich schon. – Wo sind die Tage geblieben, an denen ich Bäume ausreißen wollte. Manchmal kommt mir noch die eine oder andere Idee, aber umsetzen muss sie Max... (Zieht ein Journal heran und schreibt ein paar Zahlen hinein)

Na ja, ist ja doch allerhand geworden in den Jahren. Das Werk ist umfassend auf dem neuesten Stand der Technik. Und für die Belegschaft ist auch ganz gut gesorgt.

Die Betriebskrankenkasse, die Unterstützungs- und Invalidenkasse haben alle gleich akzeptiert. Mit der Betriebssparkasse ging es nicht so schnell. Sie glaubten, ich hörte ihr Getuschel nicht (Handpuppenspiel von Locher und Schere):

Friedrich (Max Noak 20030721)

“Was bildet der sich ein. Wovon sollen wir sparen? Es reicht doch gerade zum Leben.”

Aber dann die Stimmen der Frauen: “ Zu Schnaps und Bier reicht es noch immer. Wäre doch schön, wenn jede Woche eine Flasche Korn aufs Konto ginge.”

Jetzt läuft es längst. Gleich am Zahltag laufen sie rüber zum Schalter und zahlen was ein. Richtig geizig geworden sind sie gegen sich selbst – und stolz darauf, was auf dem Konto zu haben. Sogar die Jungvermählten legen sich von dem Hochzeitsgeld, dass sie von der Firma bekommen, ein Sparbuch an.

(Zieht seine Bibel aus der Schublade und blättert etwas darin herum)

Ob die jungen Leute auch die Bibel nutzen, dich ihnen geschenkt habe?

Frieda (Doreen Miersch 20030721)

Was waren mir doch deren Worte Trost, als Naemi starb? Wie fand ich Erbauung beim Tode meiner Frau... Wie hätte ich die lange Krankheit und das schlimme Ende unseres Sohnes Friedrich verwinden können, wenn da nicht das Vertrauen zum himmlischen Hirten war, der seine Schafe sucht, sie findet und führt? (Steht auf und tritt ans Fenster)

Damals fasste ich den Entschluss, das Kirchlein gegenüber zu bauen, ein Zuhause DES GUTEN HIRTEN, an dessen Herz auch mein Großer ausruhen darf.

“Ich habe es längst dafür gehalten und bin durch den Lauf der Welt und meine eigene Erfahrung des immer gewisser geworden, dass es kein wirkliches Unglück gibt außer dem einen, Gott nicht zum Freunde zu haben.” (Zitat aus Wilkes nachgelassenem Andachtsbuch)

Friedrich setzt sich. Es klopft. Zimmermädchen Frieda bringt auf einem Tablett Kaffee und etwas Gebäck.

FRIEDA: Ich sah das Licht in eurem Arbeitszimmer. Vielleicht tut ihnen dieser kleine Imbiss vor dem Gang zur Morgenandacht in die Stiftung gut, Herr Geheimrat.

FRIEDRICH: Danke Frieda. Deine Aufmerksamkeit vertreibt ein wenig meine Melancholie. (Trinkt einen Schluck, steht auf und tritt noch einmal an das Fenster)

Frieda, Friedrich (Doreen Miersch, Max Noak 20030721)

Welcher Trost, wenn ich beim Hinausschauen hinter den Bäumen mein Kirchlein schimmern sehe, eine kleine Festung gegen beschwertes Gemüt, eine Insel der Stille und Einkehr.

Spalding und Grenander haben bei ihrem Schinkel wirklich etwas rechtes gelernt.

Und wenn mir dann Thumanns “Guter Hirte” mit dem wiedergefundenen Schäflein im Arm so freundlich vom Altar entgegenblickt meine ich, SEINE Stimme zu hören: “Alles wird gut. Alles i s t gut!”

(Holt sich die Kaffeetasse an das Fenster. Verweilt noch ein Weilchen, während er trinkt und hinausschaut. Kopfschüttelnd:)

Noch immer Nebel – sei's drum, es ist Zeit für die Andacht. Auf ins Mutterhaus. Und hinterher noch zehn Schritte an der Neiße, da kann ich die Gedanken etwas schweifen lassen...

N° 19 Der Nebel (2.3MB T: Christa Eckert

Nebel, Friedrich (Isabell Gruchot, Max Noak 20030721)

Der Nebel webt um uns in Schwaden
      die Schleier kühler Morgenluft
und Tropfen hängen herbstbeladen
      an Baum und Strauch. Der Moderduft
gefallner Blätter zeigt uns an:
      der starre Winter macht sich Bahn.

Die Schwere dieser Morgenstunde
      belastet Seele und Gemüt
und lässt verstummen unsre Runde.
      Doch siehe da, die Sonne glüht
sich durch die graue Nebelwand
      und schenkt ihr Licht dem trüben Land.

Während des Liedes zieht sich Friedrich seinen Mantel an. Er verlässt die Bühne. Eine klare Stimme singt den dritten Vers.

Schlußszene (20030728)

Ein wunderbarer Mensch muss gehen
      und keiner von uns hält ihn auf.
Er darf den Himmel offen sehen,
      G O T T endet seines Lebens Lauf.
Doch reicher Segen bleibt zurück:
      Hier baute Glauben Menschenglück.

In die verklingende Musik hört man eine sich nähernde Dampflok, die plötzlich bremst.

Stimme aus dem off:

Gubener Zeitung vom 21.10.1908 - Durch einen schrecklichen Unglücksfall ist eine hochangesehene Familie unserer Stadt in tiefe Trauer versetzt worden, haben hunderte von Arbeitern einen menschenfreundlichen Arbeitgeber, unzählige Arme ihren Wohltäter verloren, ist unsere Stadt eines ihrer edelsten und besten Bürger beraubt worden. (Zitat aus “Gubener Zeitung” vom 21.10.08)

Schlußszene (20030707)

Ende Szene D 1 Szenenblock D Schlußvorhang

SitemapKontaktWebmaster – 2008-01-31
friedrich.song-vision.de/musical/szene-d1.php